Katlenburg-Lindau – Der dörfliche Lebensraum wird von Unternehmern als Standortfaktor durchaus geschätzt. Das ist ein Fazit einer Untersuchung von Studenten und Wissenschaftlern der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Göttingen. Katlenburg-Lindau war eine von drei ländlich geprägten Gemeinden in Südniedersachsen, die in der Studie über drei Jahre lang unter die Lupe genommen wurde. Die anderen waren Bovenden und Bevern.


In dem jetzt fertigen Bericht über das Projekt mit dem Titel „Perspektiven für den Wirtschaftsstandort Dorf“ kommt das Forscherteam um Professor Dr. Ulrich Harteisen zu dem Schluss, dass durchaus eine vielfältige Wirtschaftsstruktur in den Dörfern zu finden ist und dass der dörfliche Raum aktuell vor dem Hintergrund der Coronakrise als Wirtschaftsraum sogar noch an Bedeutung gewinnen kann.

317 Firmen in Gemeinde

Beachtenswert sei die Vielfalt an Unternehmen, die in den untersuchten drei Dorf-Gemeinden zu finden waren, heißt es in der Studie. So waren in allen drei untersuchten Gemeinden zum Erhebungszeitpunkt 2017 676 Unternehmen zu finden. Allein in Katlenburg-Lindau wurden 317 Firmen recherchiert. 14 Prozent gehörten zum landwirtschaftlichen (Katlenburg-Lindau: 17 %), 22 Prozent zum produzierenden Sektor (20 % in Katlenburg-Lindau) und fast zwei Drittel zum Dienstleistungssektor (Katlenburg-Lindau: 63 %). Damit sei der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft auch auf dem Dorf sehr weit fortgeschritten, heißt es.

„Bemerkenswert ist, dass alle Dörfer, unabhängig von ihrer Größe, relativ viele Unternehmen aufweisen. Und ein erstaunliches Phänomen war, wie viele davon nicht unmittelbar sichtbar sind, weder visuell, zum Beispiel durch Schilder, noch digital, also durch eine Homepage“ sagt Dr. Tobias Behnen vom Forschungsteam. In Katlenburg-Lindau hätten beispielsweise 58 Prozent der Firmen keine Homepage.

Bei der Unternehmensgröße gebe es einen klaren Schwerpunkt bei Kleinstunternehmen und Kleinunternehmen bis 49 Beschäftigte. Bemerkenswert sei dabei die Standorttreue: Über zwei Drittel seien seit über zehn Jahren am heutigen Standort.

Draht zur Verwaltung

Die Unternehmen haben in einer Befragung die Standortqualität des Dorfs überwiegend positiv bewertet, wozu besonders auch die weichen Standortmerkmale, wie etwa die Attraktivität von Dorf und Landschaft, beitrügen. Aber auch der oft gute Kontakt und direkte Draht zu den Bürgermeistern und den Gemeindeverwaltungen wurden gelobt.

Internet wichtig

Wichtigstes Standortmerkmal sei aber auch eine verlässliche Internetverbindung, so die Unternehmen.

Handlungsbedarf sehen die Unternehmen insbesondere bei der Verfügbarkeit und Qualifikation von Arbeitskräften. Diese kämen im Durchschnitt mehrheitlich aus der Gemeinde, in dem die Unternehmen ansässig seien.

Nach ihren Zukunftsaussichten am Standort gefragt, äußerten sich die Unternehmen kaum negativ: 35 Prozent erwarteten für die nächsten fünf Jahre ein Wachstum, 46 Prozent eine stabile Unternehmensentwicklung.

Über 90 Prozent der Befragten beurteilen die Lebensqualität im Dorf als gut oder eher gut. Die räumliche und soziale Verbundenheit mit dem Dorf trage wesentlich dazu bei, dass sich die Unternehmer, zum Beispiel durch Spenden oder auch als Privatperson, etwa in Vereinen, engagierten. Konflikte mit den Nachbarn seien selten. Weit überwiegend werde Wirtschaft im Dorf als Teil des Dorflebens akzeptiert.

Kontakt zur Schule

Neben einzelnen Vorschlägen für die im Projekt beteiligten Gemeinden – für Katlenburg-Lindau schlagen die Forscher unter anderem den weiteren Ausbau von Patenschaften zwischen lokalen Unternehmen und der Oberschule in Lindau vor – wurden übergreifend für alle Gemeinden drei übertragbare Handlungsempfehlungen zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Dorf abgeleitet.

Empfehlungen

Und das sind die Empfehlungen, die die Wissenschaftler dörflichen Gemeinden in Sachen Wirtschaftsentwicklung mit auf den Weg geben:

■  Die Entwicklung eines Standortmarketings, das das Dorf als Wohnort und Wirtschaftsstandort für Unternehmer vorstellt.

■  Der Aufbau von Strukturen einer lokalen Wirtschaftsförderung auf Gemeindeebene und die noch bessere Einbindung in regionale Netzwerke sowie die Nutzung von regionalen Beratungsangeboten einschließlich der Optimierung der digitalen Kompetenzen von Unternehmen.

■  Eine aktive Flächenentwicklung des Dorfs als Wirtschaftsstandort. Es sollten weiter gezielt Mischgebiete im Dorf ausgewiesen werden.

Zusammenfassendes Fazit der Studie: „Im Ergebnis wird das Dorf nicht nur als vitaler und attraktiver Wirtschaftsstandort empfunden, sondern es ist für die große Mehrheit der Unternehmen auch ein bevorzugter Wohn- und Lebensraum.“

Coronakrise als Chance

Der Leiter des Forschungsprojekts an der Göttinger HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement Prof. Ulrich Harteisen persönlich fügt hinzu: „Die Coronakrise hat in sehr kurzer Zeit die Wahrnehmung ländlicher Räume positiv verändert. Nun ist es an der Zeit, diesen Imagewandel zu nutzen und mit einer ambitionierten Förderpolitik für ländliche Räume in der kommenden EU-Förderperiode die technische und soziale Infrastruktur in den ländlichen Räumen zukunftsfest zu machen.“ Foto: hawk/nh zu.hna.de/studie-dorf

Quellenangabe: Northeimer Neueste Nachrichten vom 21.01.2021