Diese Erfahrung ist nicht abhängig von Heimat, Alter, sozialem Status oder Bildungsgrad. Häusliche Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor. Familiäre Ausnahmesituationen, Suchtprobleme und psychische Leiden begünstigen ein gewalttätiges Klima. Patriarchal geprägte Strukturen, finanzielle Abhängigkeit und Sexismus unterstützen frauenfeindliche Übergriffe. Mehr als jeden dritten Tag stirbt eine Frau in Deutschland an den Folgen häuslicher Gewalt. Die tödlichen Fälle aus Katlenburg-Lindau und Einbeck zeigen eindringlich, dass präventive Maßnahmen weiter ausgebaut werden müssen.

In diesem Jahr ist außerdem aufgrund der Corona Pandemie vieles anders.

Die mit der Pandemie verbundenen Beschränkungen sozialer Kontakte, Quarantänemaßnahmen, Mehrfachbelastungen durch Homeoffice, Homeschooling, Kinderbetreuung und Haushalt, finanzielle Sorgen und eine ungewisse Zukunftsperspektive haben das tägliche Leben vieler Menschen stark eingeschränkt und die Problemlagen im häuslichen Umfeld verschärft. Ansprechpartner für von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen haben bereits im Frühjahr darauf hingewiesen, dass die reduzierte Bewegungsfreiheit, Kontakt-begrenzungen, Zukunftsängste und finanzielle Sorgen sowie der ungewohnte Tagesablauf dazu führen könnten, dass häusliche Gewaltsituationen in Familien und Partnerschaften weiter eskalieren.

Erfreulicherweise haben sich diese Befürchtungen für den Landkreis Northeim nicht ganz bewahrheitet. Für den Zeitraum Januar bis Oktober 2020 hat die Polizeiinspektion Northeim 272 Fälle häuslicher Gewalt aufgenommen. Auch wenn die Zahlen damit im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken sind, ist dies kein Grund zum Aufatmen. 272 Fälle sind für die Betroffenen 272 Fälle zu viel. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den obenstehenden Zahlen um offiziell gewordene Fälle handelt. Die Dunkelziffer der nicht zur Anzeige gekommenen Fälle von häuslicher Gewalt liegt um ein mehrfaches höher.

Von Gewalt bedroht oder betroffene Frauen sind nicht auf sich allein gestellt. Wenn das eigene Zuhause nicht mehr sicher ist, bieten bundesweite Angebote schnelle und unbürokratische Beratung. Unter der kostenlosen Nummer 08000-116016 ist das bundesweite Hilfetelefon rund um die Uhr zu erreichen. Qualifizierte Beraterinnen unterstützen Frauen anonym und barrierefrei in 17 verschiedenen Sprachen und vermitteln bei Bedarf Unterstützungsangebote vor Ort. Im Landkreis Northeim bilden unterschiedliche Beratungsangebote, das Netzwerk des Runden Tisches gegen Gewalt sowie die enge Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion die Grundlage der Arbeit gegen Gewalt. Die Errichtung eines Frauenhauses wäre ein weiterer wichtiger Schritt im Bereich der Gewaltprävention. Hierfür setzt sich Landrätin Astrid Klinkert-Kittel gemeinsam mit allen Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Northeim ein.

Auch der Gleichstellungsbeauftragten ist es ein Anliegen, den Gedenktag gerade in dieser Zeit allen Widrigkeiten zum Trotz angemessen zu würdigen. Die Fahnen der Aktion von Terre des femmes „frei leben - ohne Gewalt“- werden jedes Jahr am 25. November bundesweit in fast 800 Städten und Gemeinden gehisst. Eine dieser Fahnen wird in diesem Jahr auch vor dem Gebäude der Gemeindeverwaltung Katlenburg-Lindau wehen. Leider ist es in diesem Jahr nicht möglich, eine größere Veranstaltung durchzuführen. Aus diesem Grunde bitten wir die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Katlenburg-Lindau als Zeichen der Solidarität und des stillen Gedenkens am 25. November abends ein Licht ins Fenster zu stellen. Wir danken Ihnen herzlichst für dieses Zeichen der Unterstützung.