Gillersheim – Vorausgesetzt, Sie sind überhaupt schon so alt: Wüssten Sie, wo Sie vor 70 Jahren gefeiert haben und mit wem? Reinhard Deppe aus Gillersheim weiß es noch genau.

So, als wäre es gestern gewesen. „Wir haben den Maisprung gefeiert“, erinnert sich der 91-Jährige. Im direkten Anschluss hat er seine Mitgliedschaft in der SPD unterschrieben, was ihm jetzt eine Ehrung bescherte.

Den Maisprung 1951 hat der Senior ausgiebig mit Freunden und Bekannten gefeiert, gleich bei ihm um die Ecke im Gasthaus Friedrichs. „Wir haben getanzt und gefeiert bis morgens um 5 Uhr. Dann sind wir einer alten Tradition zufolge mit dem Bollerwagen, Getränken, Mädels und Akkordeon-Musik raus in die Natur gezogen!“ Dort ging es weiter bis zum Nachmittag. Schluss war dann aber immer noch nicht.

Zurück im Ort kehrten die nimmermüden Feiernden erneut im Gasthaus Friedrichs ein. Das war bekanntermaßen das Lokal der „Roten“, also der SPDler. Und dort geschah es dann: Reinhard Deppe unterschrieb seine Beitrittserklärung, die ihm Gastwirt Fredrichs auf den Tisch gelegt hatte. „Für mich war das ein ganz normaler Schritt, denn mein Vater und mein Bruder waren auch in der SPD“, erzählt der Gillersheimer bei einer kleinen Feierstunde dem Abteilungsvorsitzenden der SPD Gillersheim-Berka, Gert Heiligenstadt, und seinem Nachbarn und Ortsbürgermeister Uwe Lebensieg, der auch Sozialdemokrat ist.

Der 91-Jährige hat ein bewegtes Leben hinter sich, was zunächst mit seinem erlernten Beruf als Maler zusammenhing. Der führte ihn von 1954 bis 1958 nach Hannover. „Ich wurde morgens irgendwo hingefahren, habe dort gearbeitet und wusste abends nicht, wie ich in mein Zimmer zurückkommen sollte, weil ich nicht wusste, wo ich war“, schildert er seine Erlebnisse. Nach und nach fühlte er sich in der Landeshauptstadt dann aber wohl.

Das lag auch daran, dass er bei der Arbeit seine künftige Frau Erika kennenlernte. Mit Telefonnummerntauschen war 1957 natürlich noch nichts, deshalb schrieb ihr der SPD-Jubilar einen Brief. Schon bald stand fest, dass geheiratet wird. Das mit dem Ja-Wort wäre fast geplatzt, denn eine schwere Rippenfellentzündung streckte ihn damals nieder. „Ich wurde mit Rotwein, Eigelb und Mettwurst rechtzeitig wieder fit“, erzählt er. Heute sind Reinhard und Erika seit 62 Jahren verheiratet.

Mit der SPD fühlte sich Reinhard Deppe stets verbunden, einen Posten in der Partei oder im Ortsparlament wollte er allerdings nicht. Dafür hat er bei allen Veranstaltungen munter mitdiskutiert. „Er kann wunderbar erzählen“, weiß sein Nachbar Uwe Lebensieg.

Sein altes blaues Parteibuch hat Deppe noch heute. Damals wurden für den bezahlten Monatsbeitrag von vier D-Mark, der an der Tür kassiert wurde, Marken ins Büchlein geklebt. Der Jubilar erinnert sich auch daran, dass sich die Mitglieder von SPD und CDU im Dorf früher öfter mal in die Haare bekommen haben „da gab´s auch schon mal Kloppe“.

Seinem Beruf als Maler ist der Gillersheimer bis zur Rente 1991 immer treu geblieben. Seinen größten Wunsch, eigene Tiere zu haben, erfüllte er sich mit Schafen und Gänsen. Das Besondere: Geschlachtet wird bei ihm kein Tier, alle dürfen alt werden. Einige hat er verkauft. Heute fährt er noch jeden Tag mit seinem grünen Aufsitzmäher durch den Ort auf die Weide. „So kennen ihn die Gillersheimer“, bemerkt Lebensieg.

Für 70 Jahre Mitgliedschaft in der SPD überreichte Gert Heiligenstadt dem Jubilar eine Urkunde, eine Ehrennadel und ein Buch über den Ehrenvorsitzenden Willy Brandt. Das hat der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil signiert, was Reinhard Deppe den Kommentar entlockte: „Der hat ja ´ne Klaue!“

Quellenangabe: Northeimer Neueste Nachrichten vom 05.06.2021

Gillersheimer Reinhard Deppe gehört der Partei seit 70 Jahren an
Reinhard Deppe